Grüne Wolke - Blaues Band
Ausstellung im Einnehmerhaus Freital 2006
Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Kunst,
liebe Vereinsmitglieder des Einnehmerhauses, liebe Christiane Latendorf, lieber Michael Schwill!
Die Malerin Christiane Latendorf und der Maler Michael Schwill sind seit vielen Jahren befreundet und leben zusammen.
Künstlerisch gingen beide, so scheint es jedenfalls, eigene Wege. Nun kann man in dieser Ausstellung die Künste
der beiden bewundern, die auf engem Raum ein erstaunlich dichtes, spannungsreich-harmonisches Bild ergeben.
Filigran und mit Hintersinn sind die Scherenschnitte von Christiane Latendorf, kompakt und beinahe hermetisch leuchten
die Ölbilder von Michael Schwill - das ist der erste Eindruck, der sich einem darbietet.
Christiane Latendorf erzählt in ihren Scherenschnitten von ihrem Leben und dem, was ihr täglich geschieht:
Das sind Gesichte und Geschichten in einem, Visionen und kleine Offenbarungen, die sie fleißig notiert
und als Skizze festhält. Begegnungen mit Menschen aber sind ihr das Interessanteste und Wichtigste, ihr Schicksal,
ihr Leben, ihr Leiden. So nimmt sie stark Anteil an allem, was anderen geschieht und ihr selbst, an den geheimen Verbindungen,
die das Seelische und Göttliche, aber auch Abgründige in den Menschen und ihren Beziehungen zueinander ausmacht.
Wie ein Seismograf registriert ihre wache und empfindsame Seele jede Regung und Stimmung,
jeden falschen aber auch aufrichtigen Ton. Christiane Latendorf nimmt das Leben als Aufgabe,
als Widerstehen und Gegenwehr gegen die gleichgültig wirkenden Kräfte der Destruktion und begreift ihre Kunst als ein Mittel,
darin sich anderen mitzuteilen und ihnen von der Schönheit des Geistigen und Göttlichen zu berichten,
aus ihrem Inneren Schönheit in die Welt zu tragen. Die Geburt des Menschen beginnt immer wieder,
wenn er sich Dingen und Menschen erneut öffnet und dabei lernt, den anderen neben sich zu dulden und zu achten.
So hält es auch Christiane: Sie bekennt sich zum Christentum, lernt aber gleichzeitig von den anderen Religionen der Welt.
Gerade die Kenntnis und die Respektierung anderer Kulturen und Gottesauffassungen sollte uns, die wir uns so sicher sind,
wenigstens darüber nachdenken lassen, ob unser Weg der einzig richtige ist.
Auf ihren jährlichen Reisen durch Indien findet sie das Verlorene wieder und gibt sich ohne Furcht und Vorbehalte
in die Welt fremder Religionen, Denkungsarten, Mentalitäten und Temperamenten, Sitten und Bräuchen, Kulturen und Künsten.
In ihrer Kunst erzählt sie von den täglichen Begegnungen auf eine ganz eigenwillige Art: Ein starkes Erlebnis,
ein Traum oder eine plötzlich auftauchende Idee verdichtet sich nach einiger Zeit zu ersten Versuchen,
Formen zu schneiden und sie neu zusammenzusetzen. Die Form, sagt sie, ist das Eigentliche,
was sie interessiert und worum sie ringen muss. Über den Inhalt braucht sie sich keine Gedanken zu machen,
denn ihr Leben ist reich und voller Ideen. Der Scherenschnitt, den sie praktiziert wie eine Schamanin,
gibt ihr die Möglichkeit, gewissermaßen spielerisch mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen, zu variieren.
Ein Formenkanon hat sich gebildet mit Vogel, Fisch, Hirsch und Kuh, Käfer und Sonnenblumen, Blättern und Blüten,
die sie in ihre figurativen Bilder einschließt. Da ist die Nähe und Liebe zum Tier, mit dem sie redet wie Franziskus
(Zu Hause pflegt sie seit Jahren einen gefunden Raben.), aber auch die Vorstellung, alles sei beseelt und von Leben
und Liebe durchdrungen, macht ihren kleinen Kosmos aus, in dem sie ihre Träume der Kindheit wie einen Schatz bewahrt
und behütet hat und den sie anderen ungezwungen mitzuteilen weiß. Fein geschnittenes,
farbiges Papier übt einen Zauber auf sie aus, das sie auf weiße oder grüne, blaue oder gelbe Gründe klebt.
Dabei verfährt sie mit der Farbe eher sparsam, setzt sie so ein, dass eine beliebige Buntheit vermieden wird.
Die Dinge, welche eine solche Beseeltheit auf dem Papier erleben, sind dank einer genauen,
tiefen Beobachtungsgabe in ihrer Wesenhaftigkeit erfasst und voller poetischer Magie.
Die Schwalbe ("Frau mit Schwalbe") und die Frau, das sind zwei Metaphern für Schönheit und Glück,
die miteinander spielen ohne sich zu berühren oder einzuengen, eingefasst in eine dunkle,
sich rundende Umrahmung, wie in einer Ikone, behütet und durch Latendorfs Kunst zum Gleichnis erhoben,
ohne Sentiment, ohne Pathos, von einer stillen Liebe erfasst…
Heinz Weißflog
Auszug aus der Rede zur Vernissage im Kunstverein Einnehmerhaus Freital am 18. Februar 2006.
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